31. Jul 2014
Eine kleine Gruppe heute. Ziel: Jägerberg. Wir starten im Norden Jenas, queren die städtische Bebauung – Baustellen, Schulen, Straßen, geordneten Raum und kontrollierte Natur – und sind doch schon entrückt, als wir beginnen. Die Gespräche fließen uns von der Hand, und wir sind wieder froh, inmitten der Woche einfach loslaufen zu können. Im Nachhinein ist es gerade schwierig, wieder festzuhalten, was uns trieb, und welches Glück wir empfanden. Fast monoton zu allen anderen Berichten. Und dennoch: allein das Spazieren inmitten der Woche, sich rausnehmen aus dem Alltag für ein paar Stunden, sich auf gesunde Weise eine Zeitlang separieren vom Druck des sozialen Gefüges. Die Arbeit auch in dem Sinne begreifen, dass man formuliert: ich genehmige mir das Seelenwohl, mich auszuklinken, und vergesse für eine gewisse Zeit alle Einspannungen und Anforderungen, alle Bilder und eingepegelten Wege des sonstigen Tages. Jeder empfindet eine je andere Art der Ablösung und des Unterwegsseins, und jeder, der meint, dies sonst nur in der Ferne zu finden, ist erstaunt über das Vorhandensein dieser Art der Erholung in der unmittelbaren Nähe.
Kulinarisch waren wir versorgt und widmeten uns am Grillplatz am Hang des Berges verschiedenerlei Gaumenfreuden: selbstgebackene Brötchen mit einem herzhaften Aufstrich, auch selbst zubereitet, Gemüse, Obst, Nüsse, Kaffee, Wasser.
Gestärkt ging es weiter bergauf, und eigentlich möchte ich nicht berichten, dass wir wieder überall Müll passierten. So ist das Plateau hinter dem Grillplatz augenscheinlich ein Bauschuttgelände, welches mit Überbleibseln der ehemaligen Nutzer des Jägerberg-Kasernengeländes bedeckt scheint. Die obligatorischen rostigen, teilweise ausgeschnittenen Fässer ragen allerorten aus dem Boden. Im Wald und am Straßenrand Richtung Schäferei dann zerbrochenes Glas, Schlauchreste, Plaste, Geschirrteile, und anderes mehr. Interessierte und ‚Mülltouristen‘ – gibt es das? – können den Stand der Erfassung und Sanierung altlastverdächtiger Flächen in der Drucksache 5/3309 vom 16.09.2011 (Kleine Anfrage der Abgeordneten Hitzing (FDP) mit Antwort des Thüringer Ministeriums für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz) – sie ist auch mit Hinweisen zu weiteren Quellen versehen – im Internet einsehen.
Oben am Flächennaturdenkmal Lämmerborn vorbei, die Straße vorsichtig passiert, den (vermutlich) Luftbeobachtungsbunker Typ A mit einer Bank auf dem Dach betrachtet und Schneckenhäuser gesammelt. Auf dem riesigen Areal des Berges eine Schäferei, eine Firma für Baggerverleih, dann eine Firma, die wohl Bauschutt lagert oder recycelt. Einmal soll eine Hundeschule aufgetreten sein. Seit den 30ern erbaut, die Kaserne der Wehrmacht mit Fliegerhorst auf dem Bergrücken Richtung Rödigen. In der DDR-Zeit war die bewegliche raketentechnische Basis 3 der NVA stationiert, dazu das Munitionslager 52, und vielleicht noch anderes. Nicht gelöst ist die Frage, welche russichen Truppen wann und wo stationiert waren, der Wald ist jedenfalls voller 70er-Jahre Schriftzeichen an Bäumen. In den Übernahmeprotokollen der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen sind keine Einzelheiten der als Garnison bezeichneten Besetzung angegeben. Eindrucksvoll auch der Schiefersockel im Eingangsbereich, auf den Hunderte Namens- und Jahreszahlgravuren aus verschiedenen Jahrzehnten, meist auf deutsch, erhalten sind.
Hier noch Bilder und Infos zur Kaserne: www.brtb3.raketenbrigade.de.
Ein Gebäudeteil, der nach Schutzbauweise aussieht, wird heute noch als Depot einer Waffenfirma genutzt. Die Überreste eines Signalzaunes zwischen zwei weiteren Zäunen noch findend, halten wir auf einer Obstwiese mit weitem Blick ins Tal eine Rast ab. Fusspflege, Pflasteraufbau an den Fersen. Weiter im Wald verharren wir vor einer alten Kläranlage des Geländes und sehen in ein schluchtähnlich ausgewaschenes Bachbett hinab. Alte Betonmauern und Erd- und Schuttberge zwischen Bäumen. Hinterwärts auf den Wiesen , wohl alle von der Schäferei gepachtet, überrascht uns die Wetterlage, die aus Ost kommend diesige Wolkenmassen heranführt. Eine Gewitterlage wird wahrscheinlicher und der Gang über den Rest des Berges unterbrochen und verschoben.
Der Bus in Rödigen, einem einstraßigen Dorf auf der Hinterseite des Berges, fährt trotz Ferienzeit, und so verbringen wir die restliche Stunde mit Gesprächen, Wetterbeobachtung, einer netten Busfahrerin und einem Abschlusskaffee in Jena.
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