top of page

Jenzig Tagestour

28. Jul 2014
Jenzig Tagestour 22. Juli 2014
 

Los gings an diesem Tag auf eine kurze typische Jena-Tour: den Jenzig hoch und an irgendeiner Stelle hinunter, diesmal am malerischen Laasan vorbei. Die Geschichte, wie dieser Ort von den französischen Truppen 1806 übersehen wurde, und anderes mehr, nein, an anderer Stelle. Erst nochmal raus in Gedanken für die Dokumentation.
Wir begannen am Grieß, hinter der Fussgängerbrücke, bevölkert von Entenfütterern, unweit des Tiergartens, und stromerten den Radweg Richtung Ostbad an der Saale entlang. Hintenrum in den Campingplatz hinein, um einen Kaffee zu ergattern, dessen Erzeuger aber nur bis neun Uhr einen angeboten hatten. Leider kein spätes Frühstück. Wieder Orientalisches Zackenschötchen vor dem Austrieb der Blüte an den Wegstellen, die irgendwann einmal mit Fremderde angefüllt worden waren. Dann hinaus, bisschen am Gemdenbach entlang, mit einladenden Ecken, zum Stillen und Chillen. Hoch zum ehemaligen Zeiss-Gästehaus, daran entlang und den Zickzackweg hoch zum Jenzighaus. Ein ruhiger Tag heute für uns und die Welt, eine heisse Suppe, mit Kopfschütteln dann dem Kellner entlockt, nur kalte Küche am Sommertag – wir aber wollten was gehaltvolles Warmes. Man merkte es wieder: kaum dem Alltag entronnen, grüssten wir freundlicher und wurden freundlicher gegrüßt, empfanden die Gesichter heiterer, wurden befragt und gelobt, uns das zu gönnen. Die Wandersleut eben. Oben entspannte sich ein langes Gespräch: Biographiestücke, Aktuelles, keine Tagespolitik diesmal, dafür Fragen und Mitteilungsbedürfnis. Wie immer, wenn man draußen ist und sich hingeben kann.

Der Hund im Rentenalter kam gut mit, die Aussicht machte frohlockend, der Rettungspunkt gemerkt, J-6705, der Wald mit Schatten wurde demütig empfunden. Irgendwann der Abzweig nach Laasan und eine zweite Rast. Die kulinarische Überraschung des Tages wurde ausgepackt: diesmal gesottenes Fleisch, Brote mit herzhaften Aufstrich, frisches rohes Gemüse: Tomaten, Möhrenstücke, Gurke. Dazu reichlich Wasser für alle, einer Gnade gleich im heissen Wetter, wenn man auch Heißhunger hat. Vor Laasan der Rettungspunkt 6704, kurze Wegüberlegungen, dann Richtung Kunitz. Lieder auf den Lippen, der Weg bis zu einer Bank von einem älteren Herrn mit Sonnenhut auf fahrbaren Mäher freigemacht, er, wohl erhitzt und abgearbeitet, wenig in Grüßlaune. Wieder mit Liedern, und ein paar angeschauten Kräutern und Sträuchern, in das Neubaugebiet Kunitz, Schwenk Richtung Thalstein. Das Schloss inmitten des alten Parkes, dessen Besitzer 2010 das Schwarze Schaf der Denkmalpflege verliehen bekommen hatte, nachdem die Gebäude in den letzten Jahren vorher sichtlich verfielen. Mittlerweile wohl mit Alarmanlage ausgerüstet, vor ein paar Monaten wieder mal in der Zeitung, als Kinder dort von Wildschweinen in Notwehr angegriffen worden, oder in der Fluchtlinie standen. Eine Künstlergruppe hatte es vor Jahren nicht geschafft gehabt, hinein zu kommen. Etliche andere hatten mit den Gedanken gespielt, was man alles dort machen könnte. Vorher, Mitte und Ende der 90er noch eine Paar, Mann und Frau, die einige Tiere hielten, dem Vernehmen nach vor dem Schlachter gerettet. Ein weißes Pferd damals auf den Waldwiesen Richtung Kunitz, eine Sau im Gestrüpp der Terasse Richtung Süden, dann erinnere ich noch Ziegen und Karnickel. Sie mit roten lockigen Haaren, wie sie an den Ställen damals gestanden hatte. Jede Menge Kinder aus Jena-Ost seien damals dort gewesen zum helfen und feiern. Dann verstarb die Frau, der Mann verzog, das Anwesen verwaiste. So erzählte die Mutter einer der Kinder Jahre später. Das Partyzimmer hatte danach noch so bestanden, als wäre vor ein paar Tagen erst was gefeiert worden: Herumliegendes, bisschen buntes Papier, ein paar Stühle oder so. In der Haupthalle des alten Gebäudes war damals die Wandbemalung aus der DDR-Zeit, als es ein Ferienheim für Kinder war, in großen Blattern gespalten, und hing wie falsche Schuppen. Ein Balkon war als einsturzgefährdet markiert gewesen, die Küche leer, das zweietagige Heizhaus nur noch mit Lore und Staub versehen, der Glockenturm geöffnet bis unters Dach, die Zimmer des ’neueren‘ Anbaus mit ihren in Schränken befindlichen Waschbecken leer. Nun gut, Erinnerungen. Zur Geschichte aus den Jahrzehnten vorher an anderer Stelle…
Wir also wieder in Jena, gestärkt durch den Umschlag und der ständigen Dialektik zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft; jeder für sich und in der Gruppe an sich. Gestärkt durch das Wechselspiel Selbst – Natur, die für jeden Gedankengang eine passende Aussicht bietet, eine korrekte oder richtungsweisende Antwort in vieltausendfachen Spiel von Kontrast, Farbe und Anordnung. Und gestärkt durch Bewegung, die die Gedanken im Körper umsetzt, Veränderung ermöglicht – so überhaupt als Wechselspiel im „Pyschotop Natur“ bezeichenbar ist, das „Anempfinden“ (J. G. Herder) seiner selbst, ermöglicht.
bottom of page