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Rumänien unter dem Regenbogen

28. Aug 2014

Natur- und Patchworkreligiosität, Familiensinn, andere Sozialstrukturen, anderer Alltag: auf einem Rainbow Gathering in Rumänien Vor ein paar Wochen erst hörte ich das erste Mal von einem Rainbow Gathering, der Rainbow-Family, einem naturnahen Leben – einige Wochen lang – einer wohl anderen Art zwischenmenschlicher Kommunikation, und von Hippie-Dasein und -Leben. Und dachte, dass ein Besuch einer solchen Zusammenkunft interessant und nützlich sein könnte: neue Wege, wildes Leben für angemessene Zeit in einem noch unbekannten Land: Rumänien. Dann Informationen auf einschlägigen Foren gesucht, ein paar Rundmails abgefasst, schnell Tickets für Bahn, Bus und erste Unterkünfte, und einen Reiseführer für die Unterwegslektüre besorgt. Schlafsack, Zelt, Kleidung, Geschirr gepackt; einen halben Tag verbracht, alle Dinge passgenau zu verstauen. Schuhe gepflegt, Nähzeug, Erste-Hilfe-Set, Essen, zweieinhalb Liter Wasser in Plasteflaschen für die heissen Sommertage, so konnte es losgehen am Sonntag, den 3. August. Das Trampen nach Dresden als erste Geduldprobe. Eine Frau aus Gera, die mich schon bei der Fahrt nach Jena hinein stehen sah, nahm mich letztlich auf ihrer späteren Heimfahrt bis zur Raststätte Teufelstal mit. Dort wieder ein wenig warten, auch ein geschriebenes Richtungsschild half nicht, Autofahrer zu überzeugen. Letztlich das aktive Fragen brachte den Platz nach Dresden, bis ins Zentrum, in Bahnhofnähe. Wieder um schnell erzählte Lebensinformationen reicher kam ich in einem Hostel für die Nacht unter. Tags drauf der ‚EuroCity‘ nach Budapest: 10 Stunden, irgendwas über 700 Kilometer, viele wechselnde Sitznachbarn. Mehrere Mahlzeiten aus selbst gebackenem Brot, Knoblauch, Zwiebeln, Äpfeln, selbst gemachtem Aufstrich halfen vielleicht, dass Abteil ein wenig unbelegter zu erhalten, um die langen Beine auszustrecken. Die Lüftung im Zug ohne zu öffnende Fenster schuf nur eine dunstige Luft, man sah befreit Durchatmende, die in den Bahnhöfen ausstiegen. Ein Mitfahrer, der seine Bierbüchse unter der Bank stehen lies, ein Pärchen auf dem ersten gemeinsamen Trip nach Prag, ein um den Weg nervöser junger Jugendlicher, der sich immer des richtigen Zuges und der richtigen Anbindung nach Polen versicherte. Einge, die aussahen, als ob sie den Zug zu ihrer täglichen Fahrt auf die Arbeit benutzen müssen. Was man sich an Gegenden merkte, wirkte stets malerisch. Erst bekannt die Aussichten und Städte in Tschechien, dann unbekannter: Brno und Bratislava. Weite Ebenen, ferne Berggipfel, die langsam umgondelt werden. Mal ein Film, selten ein Foto zur Erinnerung. Abends ein erster Kulturschock in Budapest. Aufdringliche Aufforderungen zum Geldtausch vor den Wechselstuben. Jugendliche Touristen, die in Scharen mit großen Rucksäcken vor den Bahnhofstufen drängeln. Ein weiter Platz, mit Autolärm, Hitze, unbekannten Dünsten, fremdländisch aussehenden Menschen und dubiosen Wartenden gefüllt, mit alten Häusern und hunderten unlesbaren Werbeschildern gerahmt. Eine ausgedruckte Karte führt mich mehr schlecht als recht durch dunkler werdende Viertel. Sirenen schneiden durch das Reden der Stehenden und Laufenden und die Geräusche des Verkehrs. Im Dunkeln erreiche ich den Busbahnhof, in dem keiner der Gefragten weiss, um welche Busgesellschaft es sich handelt, deren Logo auf meinem Ticket prangt. Dutzende müssen gefragt werden, Hunderte Meter hin und her, durch Unterführungen, gegangen werden, an Betrunkenen und Liegenden und Laufenden vorbei. Ein Station speit nach und nach Sportbesucher und Fans aus. Die meist kurze Haarmode der Männer wirkt langsam typisch. Mehrere Imbissbuden verkaufen Kaffee in Schlückchengröße und Fertigwaren aus der Mikrowelle. Das meiste Angepriesene konnte ich nicht entziffern. Endlich wusste ein allein stehender Mann mit Geigenkasten und Koffer, in Jackett, die richtige Stelle. Auf deutsch, rumänisch und englisch hätten wir uns verständigen können. Er ein Musiker, auf der Heimreise nach Rumänien, wir warten die letzten zwei Stunden bis Mitternacht. Ein trunkener Fan fragt um Geld, der rumänische Wartende gibt ihm Wegzehrung ab. Mit dem Brot sitzt er dann essend in einem Wartehäuschen, bis ihm der Rest aus der Hand und sein Kaffee umfällt, als er einschläft. Dann ein Kleinbus heranfahrend, mit dem Firmenlogo, der eine plötzlich größer werdende Menge an Leuten anzieht und mit Einladen beginnt. Die schweren Sachen auf einen Anhänger, der Rest vorn in den Bus, nochmal zehn Minuten Warten bis die letzten Zigaretten geraucht, und einige noch schnell hinter Büsche gehuscht waren. Dann eine unvergessliche schnelle Fahrt zum Flughafen, der nur zwei neue Gäste brachte. Das Radio lullte mit unverständlichen Liedern und Texten ein, wurde laut gegen die Müdigkeit des Fahrers, der Lücken nutzend 99% des anderen Verkehrs überholte. Noch Schnellere bedankten sich mit Warnblinkern. Keiner hupte, Verkehrsschilder zählten nicht, Geschwindigkeitsbegrenzungen waren überflüssig. Zwei Polizeikontrollen am Straßenrand, während der er schnell den Gurt überzog und danach wieder abstreifte. Schlaf kam und ging, einige Pausen mit dem wohl typischen Schlückchenkaffee oder Rumlaufen. Der Tag graute noch nicht, als wir die Grenze passierten, alle die Pässe in das Gesicht eines Beamten hielten, und die Fahrt entlang erleuchteter leerer Hauptstraßen irgendwo vor und durch Oradea führte. Mehrere Hundert Kilometer wieder weg von Budapest. Später ein weiteres Erwachen schon im Hellen, inmitten von Kurven, LKW’s, Überholmanövern und Radiomusik. Der Blick auf die Karte verriet, dass wir bald ankommen am nächsten Haltepunkt: Huedin, ca. 10 Kilometer hinter dem Abzweig bei Bologa, durch das man hindurch musste nach Sacuieu. Da kam der rumänische Freund nach vorn, redete mit dem Fahrer, der mich prompt ein paar Kilometer nach dem Abzweig absetzte, in den ich hineinwollte. Da stand ich am Straßenrand, drückte die Hand mit Dank, und war allein im Rauschen der schnellen Frühfahrer, 06.30 Uhr, hatte ich die Uhr eigentlich umgestellt? Straßenseitenwechsel, und nach ein paar Daumen hielt gleich ein Leipziger Kennzeichen, mit Insassen, die keinerlei deutsch sprachen. Hin zum Abzweig, selbst die Fahrer konnten den Zielort im Apuseni-Gebirge nur schwer aussprechen. Das Navi angeworfen, den Abzweig gefunden, ein Euro als Benzingeld, und gleich wieder auf der Straße. Das Dorf Bologa zog sich hin. Großmütter mit Tüchern auf den Kopf grüßten nach dem ‚Guten Morgen‘ oder einem offenen Kopfnicken. Wasser von den Einwohnern erfragt. Kühe liefen von den Seitengassen auf den Hauptweg, getrieben mit Ruten blieben sie trotzdem zurück. Nach Bologa eine Schar Welpen, die an den Beinen drängelte und vertrieben werden musste. Und wieder überall Schnellfahrer, die die Schlaglöcher kannten. Immer Obacht bei Motorgeräuschen. Ein leerer Transporter schließlich, wortlos der Fahrer, der beim Ortsnamen nur nickte und zum Einsteigen winkte. Kein Geld am Ende, dafür aber die ersten Rucksackreisenden, die nur das gleiche Ziel haben konnten. Mehrere Kilometer hinter Sacuieu eine Touristenranch, Pferde, ein Fluss am Weg, Heureuter auf den Wiesen, eine Gruppe brüllender Geländemotorräder, die zur Tagestour aufbrachen. Und plötzlich stand ich, direkt hinter der Ranch, auf einem wilden Parkplatz. Die ersten Hippies an den Bussen, die ersten bunt Gekleideten, mit wilden Frisuren, schön anzusehen. Erstmal ein Bad im Bach ein paar Schritte zurück, Zähne geputzt, dann rein in das Treiben der nächsten zwei Wochen. Zunächst ein Willkommenszelt am Wegrand. Im Vorbeigehen der Ruf hinter mir her: ‚Hi! Welcome Home!‘ Ein Mann schaut rüber und lächelt, steht auf und umarmt mich. Verblüffend. Tee trinken, zwei Zigaretten, ein wenig quatschen und – wahrlich – ein Gefühl des Aufgehobenseins. Wahrscheinlich, weil alle so entspannt sind. Weil ein kleines Feuer brennt, dass Essen und Getränke erhitzt, weil man auf Decken oder Stroh oder einem Fell sitzt. Oder weil jeder schaut, wie es ihm passt, oder hinter mir zwei aus Schlafsäcken heraus in den Tag schauen, den Gesprächen zuhören oder sich einfach auszuruhen scheinen. Es lässt sich nicht an Einzelheiten festmachen. Es ist einfach wieder Gegenteil von Alltag eingetreten, und es beruhigt und entspannt ungemein. Tage später scheinen Jahre vergangen zu sein. Ausschlafen im Zelt, Wechsel zwischen Sonne und Regen, wenig Wind. Eine andere Zwischenmenschlichkeit als sonst. Vormittags meist irgendwann auf eine der zahlreichen Toiletten im Wald, gemalte Pappen mit Anweisungen, Hygiene mit Asche und Alkohol. Einige Gespräche mit anderen. Zahlreiche Gymnastik und Meditation vor Zelten und am Wegesrand, viel Ruhe. Menschen stehen schon früh herum und dehnen oder versenken sich, einige spielen verträmte Weisen auf Instrumenten, einige machen ein Feuer. Alles wird geteilt, man kann sich hinzusetzen wo man will und reden über alles. Es ist eine Mischung aus äußerstem Wohlbefinden und manchmaligen Rückzugswünschen nach Einsamkeit – so überraschend ist dieses unbekannte Gefühl, eine andere Kommunikation und andere Distanz zu Menschen zu praktizieren. Tagsüber werden viele Workshops angeboten, die sonst viel Geld kosten, hier nicht. In der Feldküche kann man mitkochen, für zwei Zeiten am Tag wird Essen vorbereitet, zwischen 12 und 14 Uhr und gegen 19 Uhr. Eine Woche lang dauerte es, sich an die teils dürftige Kost zu gewöhnen, die meist aus Reis, Mais oder anderem Getreide mit irgendeiner Zugabe bestand. Manchmal war es kurios: angekommen in der Küche, mit einem Messer am allgemeinen Schnippeln teilnehmend, schnitten sich innerhalb einer halben Stunde vier Menschen in einen Finger. Nebenan im Kochzelt wurde zeitgleich fertige Polenta in große Kübel gefüllt, war also schon fertig zum Essen. Gut, dachte ich nach einer Stunde: das Essen wird bald fertig sein, gehe ich zum Zelt und tingel noch eine Stunde herum, bis es losgeht. Irgendwas muss dann schief gegangen sein, und das Essen wurde erst um Mitternacht ausgerufen. Das Ausrufen ist das Kommunikationsmittel schlechthin, wurde manchmal zur Last, wenn zu viel und zu laut geschrieen wurde. Eine, sowie eine halbe Stunde vor dem Fertigsein des Essens wurde zum ‚food circle‘ gerufen, bei Beginn ein ’now!‘ hinzugefügt. Der Ruf wurde weitergetragen auf das zig Hektar große Gelände, auf dem sich die Zelte verteilten (bei Spaziergängen kam ich nie in eine Gegend, in der nicht doch noch versteckt ein Zelt stand). Man nahm sein Geschirr und Besteck, steckte vorsorglich Gewürze ein, und ging in Richtung Zentrum des Lagers. Dort standen schon viele, bildeten, einander die Hände fassend, einen großen Kreis, der immer weiter auseinandergezogen wurde, bis schließlich ein weiterer innerer gebildet wurde. Es wurde gesungen. Man konnte teilnehmen oder sich einfach hinlegen außerhalb, und zuschauen. Die Silbe ‚Om‘ wurde für mehreren Minuten angestimmt, dann verneigten sich alle in Richtung Zentrum oder Himmel. Das Essen wurde herangetragen, kamen nicht freiwillig genug Träger zusammen, wurde ausgerufen. Dann wurden die Servierenden eingewiesen, die sich die Hände reinigten, die Kübel zwischen die inzwischen sitzenden zwei Reihen schafften, und das Essen verteilten. Meist zwei Durchgänge, bis alles einigermaßen gerecht verteilt war, obwohl die ersten Dutzend Esser meist Portionen doppelter Größe erhielten. Mehr als einmal saß ich sauer vor meinen zehn Esslöffeln Mittagsmahl, bis ich nach einigen Tagen an einem Verkaufsstand am Parkplatz mehr Nahrung zukaufte. Der Möglichkeit, mich woanders einzuladen, ging ich seltener nach. War es in der ersten Woche ein Verkaufsstand, hatten sich in der zweiten schon vier Stände etabliert: Felle, Brot, Süßwaren, Obst, Gemüse, und anderes mehr. Das Essen im Circle zog sich fast immer zwei Stunden hin, gleich von Anfang an begleitet von Ausrufern, die auf ihre Workshops aufmerksam machten: improvisierte Bewegung, Tantra, Meditationsformen, Rederunden, Infoworkshops zu Pflanzen, Cannabis, Trampen, Kopfschmerzen, vielfältige Massageformen, Wandern, und noch mehr. An einem Tag entschloss ich mich Focalizer zu werden, und in der Küche den Entscheidungsstab zu schwingen. Das läuft folgendermaßen ab: man kommt gegen 8 Uhr in das Küchenzelt und beginnt, alle einzuweisen, die hinzukommen: Feuer zu machen, Holz heran zu holen, Töpfe und Behälter abzuwaschen und vorzubereiten, Wasser zu holen und zu erhitzen, die Zutaten vorzubereiten, Musik zu machen. Waschen, schälen, schneiden, sortieren. Als Koch hat man eigentlich nur die Aufgabe, alle Helfer bei Laune zu halten, indem man ihnen Essen aus dem Vorratszelt anbietet, die Schritte der Zubereitung aufzeigt, würzt, die Zeit überblickt, Ausrufe organisiert. Aber das Essen wurde an diesem Tag auch erst gegen 16 Uhr serviert… Die Tage gingen ins Land und die Stimmungen wechselten sich ab. Neue Menschen und unbekannte Körperbewegungen, dazu der oben beschriebene Wechsel in der Erfahrung des Außeralltäglichen dieses anderen Umganges miteinander. Technik war verpönt, auch wenn zwei Mal ein Mobiltelefon in der Runde herumgezeigt wurde, auf das der Besitzer sieht, dass es gefunden wurde. Fotografiert wurde sehr selten, und soll – so eine Info im Vorheinein – nicht erwüscht sein. So beließ ich es dabei, vom Hügel verstohlene Bilder des Tales zu machen, oder aus dem Zelt mal den Ausblick festzuhalten. Mit Vollmond wurde eine Zeremonie veranstaltet. Gruppen, die die vier Elemente verkörperten, tanzten. Dabei war die Feuergruppe vorherrschend und am meisten beachtet, sehr wahrscheinlich wegen der vielen Feuertänzer, die anwesend waren. 98% der Zeit waren immer irgendwo Trommeln zu hören, eine rumänische Gruppe hatte Trompeten und andere Blasinstrumente dabei, und wirklich alle möglichen Instrumente konnte man sehen und hören, an allen Tagen. In jener Vollmondnacht wurde ein riesiges Feuer entzündet, dass am Tag an der Stelle des nie ausgehenden Feuers des Circle-Mittelpunktes aufgeschichtet worden war. Wohl eine Viertelstunde lang sangen wir ein Mantra oder Lied, bis die Flammen höher züngelten und schließlich ganz schnell eine mehrere Meter hoch reichende Flamme bildeten. Alle jubelten, trällerten und riefen und ein Tanz um das Feuer entspann sich, der wohl bis in den Morgen ging. Mit dem Aufwachen anderstags jedenfalls ging die Musik ununterbrochen wie beim Einschlafen Stunden zuvor. Die Sonne bräunte ohne Unterlass und meine sonst käßigen Füße und Beine bekamen erst rote, dann braune Farbe, auch der ganze Oberkörper. Die fast täglichen Wäschen in einem Bach, im Fluss im Tal, oder an der Duschanlage, immer mit kaltem Wasser, waren letztlich angenehmer als das warme Wasser daheim. Es gab ja auch keine Alternative. Aber spürbar wurde schon, dass diese künstlichen Wechsel, in die man seinen Körper brachte, letztlich als äußerst angenehm in der Erinnerung blieben. Zwischen den Sonnenzeiten immer wieder Regen. Barfüßiges Laufen in Pfützen und durch spontan an den Hängen antstandene Bächen, durch morastige Wiesen, über die zunehmend ausgetreteneren Pfade. Auch das wurde angenehm, die schlammigen Füße normal, das Abputzen im Gras vor dem Zelt Gewohnheit. Ein Trip in die nahe gelegene Stadt Huedin wurde ein Festtag. Essen in einem Restaurant, Einkaufen auf einem städtisch-ländlich gemischtem Markt. Die Marktfrauen mit verschwindend kleinen Mengen an den Betontischen aus der Vorwendezeit. Viele runde, fussballgroße Käse in der Halle für Milchprodukte. Neugierige Blicke, ansprechen in fremden Sprachen, Anpreisen des selbst Eingemachten. Eine Romafrau sprach mich weltgewandt auf englisch an, dann auf deutsch und lächelte. Sie in einer Gruppe einkaufend, kannte ein paar deutsche Stadtnamen. Sehend, dass alle ihre Zähne mit Gold verkleidet waren, konnte ich mich später gar nicht mehr an ihre Kleidung erinnern. An einer Stelle kaufte ich vier Zwiebeln, vier Möhren und Knoblauch, die Frau schüttelte den Kopf angesichts der kleinen Menge und nahm einen Leu (rumänische Währung) für das bisschen. Dazu andernorts Paprika in drei Schärfetypen, Tomaten, Kaffee. Auberginenberge quollen aus Bussen, Melonen und Paprika stapelten sich, die Tomaten platzten fast vor Reife. In anderen Straßen die bekannten Kunstledergerüche von Taschenhändlern, gassenweise Stände mit Schuhen und Bekleidung. Dazwischen Trödelhändler mit allem Möglichen für Haushalte, einige Bücher. Viele Rainbowgäste, die leicht erkennbar waren, teils auch mit Bieren in den Cafés und Gaststätten. Im Restaurant eine typische Suppe, dann Frittiertes vom Huhn mit Kartoffeln und Bohnen. Ein einheimisches Bier, dass trotz der Sommerhitze gewaltig gut schmeckte. Ein Junge, der mir ein paar Sätze zuredete, bevor die Kellnerin mit spitzem und wütenden Mund seinen Arm schnappte und ihn weg zog. Mein Blick, den ich versuchte, gütig und beschwichtigend aussehen zu lassen. Dann nochmal Lebensmittel in einem kleinen vollgestapelten Laden: Olivenöl für das allerorten vorherrschende, geschnittene Weißbrot. Schokoladenaufstrich, der billigste, und der dadurch wohl so ähnlich nach Karamell schmeckte wie die ähnlich billige Variante des gekauften Kaffees. Stadtauswärts dann ungefähr 30 prächtig gebaute Paläste, ein Zehntel im Rohbau, die der Reiseführer als Häuser wohlhabender Romafamilien auswies, die sich auf dieser Ebene Konkurrenz machten. Als es auf das zweite Wochenende zuging, überlegte ich nach einer Heimfahrt. Aus dem anfangs kleinen Punkt beim Circle, an dem Fundsachen hinterlegt und Inserate ausgehangen wurden, hatte sich ein markanter Wegpunkt entwickelt. Pappen und Papiere hingen an Stangen und wiesen meist leserlich auf Abfahrtzeiten und Ziele hin, dazu auch Werbung auf die Workshops im kostenpflichtigen Leben außerhalb. Ich zog vor, wieder den Daumen zu benutzen, den Rucksack mit Wasser und Essbarem zu füllen, und mich auf die Reise des nicht Vorhersehbaren zu begeben. Am Abfahrtstag war das Zelt trocken. Bei einem Nachbarzelt eines tags zuvor Angekommenen, der wegen seines Frühaufsteherkindes schon wach war, wurde schnell ein Feuer für ein Kaffee entzündet. Die Sachen gepackt. Andere Aufsteher, die sich hinzugesellten. Kaffee, Fladen auf Stöcken in Richtung Glut gelehnt. Gespräche über Grillen (für Thüringer: gemeint sind die Tiere) und die Natur der Tage und Menschen. Dann los, hinab ins Tal, am Willkommenszelt noch einen Gruß hinterlassen. Flaschen aufgefüllt. Bad und Sachenwäsche im Fluss. Zähne putzen, all das Programm der anderen Campingtage. Den Parkplatz verlassend traf ich auf der Dorfstraße an, auf der in Hundertmeterabständen andere Tramper in Richtung der 15 Kilometer entfernten Hauptstraße liefen und alle Autos versuchten anzuhalten, die denselben Weg hatten.

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